Traub / Zemelka / Zirkelbach – Ausstellungskatalog

Von Christoph Traub, Elke Zemelka und Helmut Anton Zirkelbach

Sprache: Deutsch 
Inhalt: 52 Seiten, farbig
Format: 14,8 x 21 cm, Softcover
Erscheinungstermin: 26.04.2023

14,90 

Enthält 7% MwSt.
zzgl. Versand
Lieferzeit: ca. 2-3 Werktage

Beschreibung

Im Wesen begründet
Christoph Traub – Elke Zemelka – Helmut Anton Zirkelbach
Skulptur – Malerei – Druckgrafik

Für Christoph Traub, der aus einer bekannten Künstlerfamilie stammt, war von Anfang an klar: Für mich gibt es kein besseres Material als Stein, um meine runden Formen herauszuarbeiten. Vor allem feinkörnige Steine (z.B. schwarzer Granit) ermöglichen mir weiche, körperliche Formen zu erarbeiten. Seine Bezeichnung „weich“ mag zunächst widersinnig erscheinen, verbindet man doch im Allgemeinen mit Stein, vor allem mit dem harten Granit, den Traub gerne verwendet, genau das Gegenteil. Standfestigkeit, Dauerhaftigkeit, Ewigkeit und Monumentalität sind Eigenschaften, die diesem Werkstoff eigen sind.

Der Steinbildhauer schätzt die äußeren Erscheinungen seines Materials wie die natürliche Farbigkeit, die Körnung, die Einschlüsse, die Dichte oder Transluzenz, die er durch eine gezielte Bearbeitung betont. Er belässt ihm also das natürliche Aussehen. Neben Marmor, Granit, Kalksteinen, Diabas oder Labrador findet auch das Ergussgestein Basalt in seinem Werk Verwendung. Das Besondere daran: Das Material vulkanischer Herkunft ist sehr hart, dicht und von dunkler Farbe. Es ist als Werkstein nicht zugeschnitten, sondern wird in den typischen polygonalen Säulen in kleinen Stücken abgesprengt und weiterverarbeitet. An diesem Aussehen orientiert sich der Bildhauer, der sich auf die von der Natur vorgegebene Form einlässt. Oder anders herum formuliert, das ­natürliche Aussehen kommt seinem Formwillen zur Figuration entgegen. Denn typisch für die Vorstellung einer menschlichen Figur ist die vertikale Ausrichtung des Werkstücks, was einen stehenden Körper assoziiert. Christoph Traub hat für sein figürliches Werk eine eigene, unverkennbare Körpersprache entwickelt, die die Menschengestalt als Rudiment in der Tradition Rodins, in der Auseinandersetzung mit Antike und Mythologie sowie mit Architektur und abstrakter Formulierung begreift. Hauptmotive bilden der Rumpf, die Gliedmaße und nicht zuletzt die menschliche Haut selbst. Ihre Wiedergabe thematisiert das sich ungeschützt Präsentierende eines Körpers. Und so zeichnen sich auf Traubs nackten Körperfragmenten Lebensspuren ab, wird das Innere nach Außen gekehrt.

Eine konzentrierte Beobachtung gilt auch der Körpermitte, dem Rumpf, der fast immer aus der Vertikale gerückt ist. Durch diese, von einer strengen Mittelachse abweisenden Bewegung wird Dynamik erzeugt. Dazu tragen auch die überwiegend zweibeinigen Ausformungen bei, die im angedeuteten Stehen zwar die menschliche Erdverbundenheit betonen, jedoch meistens ebenfalls aus der statischen Zentrierung gelöst sind. Im Unterschied erinnern andere Arbeiten des Künstlers an archäologische Fundstücke wie die liegenden, ­zerbrochen wirkenden Torsi. Und im Spannungsbereich zwischen körperlicher Anmutung und tektonischer Form angesiedelt assoziieren z. B. seine aus Basalt­gestein gearbeiteten Werke Architekturelemente wie Säule und Architrav.

Christoph Traubs Skulpturen besitzen insgesamt eine starke körperliche Präsenz und Sinnlichkeit. Die überwiegend hochglänzend gearbeiteten Werke aus Granit haben eine der Naturanmutung entgegengesetzte Wirkung. Sie beginnen sich wegen der starken Spiegelungen in ihrer Substanz aufzulösen. In den Arbeiten aus Jurakalk, die solche extremen Oberflächenwirkungen nicht vermitteln, konzentriert sich der Blick auf die fein gearbeiteten Details, die sorgfältig gesetzten, zeichnerischen Strukturen, die das steinerne Volumen als Gestaltungsfläche begreifen. Und auch in den Bronzegüssen zeichnen sich die Körperoberflächen im Wechselspiel von Höhungen und Vertiefungen lebendig ab, werden die Torsi durch Polieren und unterschiedliche Patina akzentuiert und ästhetisch betont.

In Christoph Traubs Schaffen findet die Vorstellung vom Dasein in der Balance Umsetzung. Die Wirklichkeit verändernd raubt er dem Stein seinen widerspenstigen und abweisenden Charakter und der figürlichen Idee ihre Gesetzmäßigkeiten und Vollständigkeit.

Elke Zemelka wuchs als Kind in Indien und Mexiko auf. Zunächst zum Studium nach Deutschland zurückgekehrt, anschließend wieder in Mexico City mit ­Arbeitsaufträgen im Grafikbereich und als Illustratorin tätig, ist die Faszination vor allem für Mexiko bis heute ungebrochen und hat Einfluss auf ihr künst­lerisches Schaffen. Seit 2012 lebt und arbeitet die Künstlerin in der Nähe von Stuttgart, regelmäßig unterbrochen von Aufenthalten in ihrer ehemalige ­Heimat, wo sie auch ausstellt.

Zemelkas Malerei, die 1986 einsetzt, war anfangs geprägt von den sogenannten „Culturas Archaicas“ und prähispanischen Formen. Anschließend ­verarbeitete sie kubistische Elemente und begann, angelehnt an die Pop-Art und an surrealistische Stilelemente, sich stärker der figürlichen Darstellung zu widmen. Mittlerweile gilt ihre Aufmerksamkeit immer noch der menschlichen Figur, jedoch deren Einzelheiten, die sie ausschnitthaft und stark ­vergrößert darstellt, und somit äußerlich abstrahiert. Nichtsdestotrotz bleibt die Vorstellung von Körper für den Betrachter immer präsent, was auch an der Sinnlichkeit ihrer formalen Gestaltungen liegt. Die Formulierung von Licht und Dreidimensionalität im Bild spielt dabei eine zentrale Rolle.

So sagt sie selbst: Meine Arbeiten entstehen überwiegend durch eine Auseinandersetzung mittels „Corpus-artiger“ Reflexionen, wobei die malerische Entwicklung mehr und mehr an Präzision und filigraner Transparenz gewinnt und durch eine dünnhäutigere Spannkraft regelrecht zu brillieren beginnt. ­Einzelne Körpersegmente wirken dabei quasi wie durch indirekte Bestrahlung von außen angeleuchtet.

Obwohl von einer realistischen Wiedergabe der menschlichen Figur entfernt, wecken ihre überaus fein abgestuften, innerhalb eines Farbspektrums ­gehaltenen malerischen Flächen sehr plastisch und körperhaft. Assoziationen von nackter Haut, von Hautfalten, Arm- oder Beinbeugen, von Bauch-, Brust- oder Rückenpartien stellen sich unwillkürlich ein. Alle Elemente wirken durch das sehr dünne, in vielen Schichten aufgetragene Farbmaterial weich, fließend, warm und in sich ruhend. Diesem Eindruck werden in manchen Bildern konkrete, geometrische Flächenformen gegenübergestellt, die eine allzu liebliche Wirkung der organischen Teile konterkarieren. Dabei werden die plastisch ­formulierten Formen nicht nur mit monochromen Bildflächen vor allem in leuchtendem Rot konfrontiert, sondern manchmal auch in kastenartige ­Konstruktionen eingefügt. Im starken Kontrast der Farben und der malerischen Umsetzung steigern sich räumliche Darstellung und organische Anmutung. Auffallend häufig gibt es mehrteilige Werke, die als Diptychen oder dreiteilig ausgeführt sind. In einigen wird das Motiv gespiegelt, so dass tiefgründige Körperlandschaften entstehen, die den Blick ins Bild ziehen. Elke Zemelka ­benennt ihre Werke auch so oder verwendet den Begriff der Reflexion. Andere sind als transfiguraciones bezeichnet, was auf eine Verwandlung einer Bildidee abzielt.

Unterschiedliche Daseinsformen wie das künstlich Gebaute und das natürlich Lebendige werden in ihrem Wesen gegenübergestellt. Nicht nur ihre „Transfigurationen“ beziehen sich auf verschiedene Lebensentwürfe. Vieles wird im Dasein als begrenzt formuliert. Fragen nach Orientierung in zwei unterschiedlichen Lebenswelten treten auf. Herkunft und Zugehörigkeit, Freiheit und existentielle Sicherung werden zum Thema. Elke Zemelkas Körperlesekunst wird von ihren individuellen Erfahrungen bestimmt. Ob in Acryl auf Leinwand oder in Aquarelltechnik auf Papier, ihre Werke fordern die Wahrnehmung des Körpers ein. Der physische Körper, fragmentarisch wiedergegeben als Ausschnitt aus der nackten Haut und neu geformt zu einem großformatigen Körperbild, bildet sozusagen den Schnittpunkt zwischen den Welten, in denen sich Mensch und Natur annähern können.

Das unverwechselbare druckgrafische Werk von Helmut Anton Zirkelbach wird von großen Formaten gekennzeichnet und dem souveränen Umgang mit den sogenannten „heißen“ Tiefdrucktechniken wie der klassischen Ätzradierung. Ebenso verwendet der Künstler die Aquatinta, die im Gegensatz zu den damit erzielten linearen Strukturen die Wiedergabe körnig-weicher, malerischer Flächen erlaubt. 1991 hat der Künstler das Medium für sein Schaffen entdeckt und nutzt dieses, wie Zirkelbach es selbst formuliert, 500 Jahre alte Betriebssystem, ganz bewusst. Dem schnellen Konsum einer übermächtigen Bilderflut stellt er damit die Bekenntnis zu Sorgfalt und Langsamkeit und den Fokus auf das einzelne Werk und seine Einzelheiten entgegen. Für die grafische Kunst typisch und ihm ebenso eigen ist auch das serielle Arbeiten, was im Hinblick auf die Aufwändigkeit des Herstellungsprozesses einleuchtet. Eine Serie wie auch ein Mappenwerk aus zusammenhängenden Einzelblättern bezeugt die konzentrierte Auseinandersetzung mit einem Motiv innerhalb einer längeren, zeitlichen Dauer.

Zirkelbachs Virtuosität in diesem anspruchsvollen Druckverfahren beeindruckt. Die Faszination dafür spricht aus seinen Worten: Fesselnd ist die Radierung für mich selbst nach 30 Jahren. Welch Fülle an Herausforderungen: Widerstand des Materials, Vielfalt der Arbeitsverfahren, Unwägbarkeiten chemischer und physikalischer Prozesse! Welch Spannung, wenn der erste Bogen nach dem Drucken sichtbar wird! Welch ästhetisches Vergnügen am samtigen Blauschwarz und Zinnoberrot, an präzisen Linien und starken Prägungen des Papiers…! Sein Grundanliegen ist es, die von gänzlich abstrakt bis gegenständlich reichenden Motive in ihren Flächen- und Linienformen in Einklang zu bringen. Nervös formulierte Liniengebilde und psychogrammartige Zeichensetzungen werden gegen statisch ruhige Flächenformen gesetzt, um sich gegen­seitig in der Balance zu halten. Der Bildaufbau ist ­immer rhythmisch und wird prozesshaft entwickelt.

Neben der Musik sind es Landschaft und Natur, die ihm Inspiration und Anregung geben, und Umset­zung in jeder künstlerischen Geste finden. Das ­ästhetische Vergnügen, das Zirkelbach bei der ­Umsetzung solcher Themen empfindet, schöpft er aus dem natürlichen Formenreichtum und seinen ­kleinen, unscheinbaren Details. Die menschliche Figur braucht es dazu nicht. Boden, Bäume, Blätter, Adern, Erde, Krumme, Rinnen, Schrunden, Wege, Spuren, Wolken, Wasser, Tropfen, – das Assoziationsspektrum der Motive ist groß. Die Vorstellung von Landschaft lässt sich z.B. über horizontale Kompositionen vermitteln. Derart gegliedert und aufgeteilt in mehrere Bildzonen stellen sich räumliche Vorstellungen ein. Farbige Platten in leuchtendem Rot oder auch hellem Rot-Orange, Braun, bisweilen Blau, selten jedoch in anderen Tönen, werden aufgebracht, und überwiegend wieder überdruckt. Die farbigen Flächen setzen ­atmosphärische Akzente, geben zugleich den linearen Strukturen Halt, aber auch Gewicht und Ausdruckskraft. Zirkelbachs Werk fasziniert auch über die Wirkung der radierten Oberflächen, die von samtiger Weichheit, körniger Pudrig­keit, krümmeliger Rauheit bis hin zu feinster Glattheit reichen können, ­etwas, das mit keinem anderen künstlerischen Medium so erzielt werden kann.

Helmut Anton Zirkelbachs Meisterschaft beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Druckgrafik. Es entstehen auch Bildobjekte, die für ihn eine Verbindung zwischen der grafischen Technik und der Malerei darstellen. Den Ausgangspunkt bilden Holzplatten, die geschwärzt und dann durch Ritzungen, unter ­Zugabe von Spachtelmasse und mit Acryl- oder Ölfarbe malerisch weiterbearbeitet werden. Hervorzuheben sind jene Bildteile, in denen Graphit als ­Material- und Farbstoff eingesetzt wird. Das metallisch wirkende, auch weich und erdig aussehende Mineral wird vom Künstler durch Bürsten soweit bearbeitet, bis es stark aufglänzt. Die formal als auch stofflich kontrastreich aufgebauten Bildobjekte haben zwar Analogien zur Druckgrafik, behaupten sich aber in ihrer Dreidimensionalität und materiellen Präsenz kraftvoll und aussagestark innerhalb des Gesamtwerks.

Im Werk von Helmut Zirkelbach wirkt alles leichthändig ausgeführt und ohne Mühe entstanden, ganz entgegen den bekannten aufwändigen Herstellungs­prozessen. Analyse und Synthese, Meditation und Spontaneität, Konstruktion und Empfindung – das alles wirkt zusammen.

Dr. Sabine Heilig, April 2023