Farben Fischer – Neue Malerei

Von Hans Mendler

Sprache: Deutsch
Inhalt: 20 Seiten, farbig
Format: 30 x 21 cm, Hardcover, 16 Bilder
Erscheinungstermin: 21.05.2007

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Beschreibung

Sie sind eigentlich unverkennbar, wären es selbst ohne die Vergewisserung durch den Bildtitel. Es sind Gestalten aus der Mythologie oder der Kulturgeschichte, seltsam vertraut und gleichzeitig fremd, schemenhaft, doch von einer bezwingenden Präsenz. Da ruht ein Kopf auf einem langgezogenen Leib, das Profil von ernster Strenge und eine Tatze nach vorn gelegt. Zweimal wiederholt sich diese in variierter Form und erinnert „3-händig“ an das Rätsel, das die Sphinx jedem Vorüberkommenden stellte. Und ihn tötete, wenn er es nicht zu lösen vermochte. Da kauert eine weibliche Figur auf einem pastellfarbig gestreiften Block, streckt ihren Arm nach Halt oder einem Gegenüber suchend weit von sich, lässt ihr langes Haar wehen und die Haltung wie das umschattete Antlitz lassen uns an eine melancholische Loreley denken. Da stürzt eine Gestalt kopfüber herab, stößt beinahe auf den Grund, während sein stromlinienförmiger Leib sich aufzulösen scheint, die Flügel vielleicht von der Sonne verbrannt. Nur einen roten und einen gelben Abdruck der Hand hat er hinterlassen – Ikarus vor dem „Sturz“ ins Meer. Ähnliche Assoziationen drängen sich vor den meisten der neuen Bilder von Hans Mendler auf. Da steckt „Jedermann“ mit dem Tod unter einer Decke – oder stehen sie in einem Kessel? Die rot-bunte Fläche erlaubt verschiedene Deutungen. Ein „Gnom“, der ein bisschen von Pablo Picasso und von Francis Bacon mitbekommen hat, gestikuliert komisch-verzweifelt. Überhaupt die Gesten! Ausholend und umgreifend sind die Arme der Mutter, deren „tutti bambini“ aus einem während des Malens gehörten Musikstück unsichtbar auf das Bild gerieten; verwirrend, zu schnell für eine exakte Wahrnehmung sind die Handbewegungen des „Kartenspielers“ – und erst der Bildhauer: er besteht fast ausschließlich aus der Kraft seiner Hände. Sie ermögen sogar einen Quader zu durchleuchten … „Ich: Bildhauer“ nennt Hans Mendler ein Bild und dies könnte ein Schlüssel sein, denn es sind die Holzskulpturen, in den vergangenen Jahren neben seinen hauptsächlich abstrakten, farbstarken Gemälden entstanden, die sich jetzt in den gemalten Figuren niederschlagen. Oder besser: deren gleichermaßen archaische wie expressive Gestalt, aus dem Holz heraus gesägt und gemeißelt, nun auf der Leinwand entsteht. Hatte der Maler zuvor farbberauscht Schicht um Schicht übereinandergelegt, gespachtelt, wieder weggemalt, dabei Assoziationen an Gegenständliches, gar Figürliches unbedingt vermieden, so favorisiert er nun einen dünnen, lasierenden Farbauftrag – das Pigment wird nicht mehr mit Öl, sondern mit Wasser und Binder angerührt –, lässt den Untergrund der Leinwand mitsprechen, und reduziert die Farbigkeit, wäscht Farben gelegentlich sogar wieder ab. Viel Weiß, ein kühles, gebrochenes Grüngelb, dazu Grau, Braun, auch mal schwarze Tusche, das muss genügen. Auf den zweiten oder dritten Blick entdeckt man dann rosa und blaue Nuancen, aber sie drängen sich nicht nach vorne: wesentlich sind die figürlichen Formen. Selbst der „Farben Fischer“, diese von Farbpunkten, und -strichen umschwirrte oder lustvoll darin badende Gestalt, hebt sich klar konturiert von dem gelben Hintergrund ab. Darf man ihn als Selbstporträt verstehen? Jedenfalls ist der künstlerische Prozess von Leidenschaft ebenso geprägt wie von der spontanen Geste eines impulsiven Temperaments. Dass der Zufall eine Rolle spielt, gesteht Hans Mendler gerne ein, er lässt sich davon inspirieren. Das Ergebnis freilich darf nicht zufällig sein: trotz allem spielerischen Ausprobieren und trotz des spannenden Abenteuers des Malprozesses selbst. Von einer heiteren Sinnlichkeit kann ein Bild wie „in mir“ sein, von einer bedrohlichen, Schauder erregenden Wirkung ein anderes, „Gesicht schwarz“. Aus Flügelbögen und einer grauen Wolke taucht dieses Gesicht unvermittelt auf, Inbegriff eines Judas oder vielmehr des unheimlichen Unbekannten, den zudem weitere fratzenhafte Schemen flankieren. Zunächst seien ihm die Figuren auf der Leinwand mit ihren Augen zu präsent gewesen, während die Holzskulpturen nach innen gewandt waren, sagt Hans Mendler. Die Lösung hat er mit einer Malweise gefunden, die den Blick ins Ungewisse verschattet und dennoch eine beunruhigende Präsenz im Kopf des Betrachters entwickelt. Der „Torso Frau“ ist ein sinnfälliges Beispiel dafür, ebenso die thronende Gestalt in dem Bild „ganz allein“, bei denen man – von deren Stolz und Selbstbewusstsein beeindruckt – von entindividualisierten Typen, von Archetypen sprechen möchte. Manchmal reduziert Mendler seine Figuren gar auf maskenhafte Umrisse: man rätselt, welcher Art dieses Theaterspiel wohl sein mag, ob hier Marionetten tanzen oder Schleier, ob eine Tragödie geschieht oder sich eine Komödie abspielt, was es mit den Masken auf sich hat, die „dreiköpfig“ im Zentrum des Bildes schweben. Glücklicherweise dürfen diese Rätsel ungelöst bleiben, anders als das der Sphinx vor Theben – die Belohnung ist die Begegnung mit diesen aufregenden Arbeiten und ihren mythologischen Gestalten selbst.

Auszug aus dem Text von Irene Ferchl